Staatsanwaltschaft Zürich will ans Bundesgericht gelangen

Die Staatsanwaltschaft Zürich nimmt den Fehdehandschuh auf: Nachdem das Obergericht am Dienstag bekannt gab, dass es die Urteile im sog. Raiffeisen-Prozess wegen «schwerwiegenden Verfahrensmängeln» aufgehoben hat, will die Staatsanwaltschaft nun am Bundesgericht Beschwerde gegen das Obergericht erheben.

Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft wurde am Montagabend aufgeschaltet und zeigt bereits in den ersten Zeilen, dass die Nerven in der Zürcher Justiz offensichtlich blank liegen. «Das Obergericht hat ihr den Beschuss vom 25. Januar 2024 noch nicht eröffnet. Eine anonymisierte Fassung dieses Beschlusses ist im Internet abrufbar und bildet die Grundlage der vorliegenden Medienmitteilung», schreibt die Staatsanwaltschaft. Heisst: Sie hat von dem Entscheid des Obergerichts aus dem Internet erfahren.

«Die Anklageschrift wurde verstanden»

Die Staatsanwaltschaft begründet ihre Unzufriedenheit wie folgt: «Was die angebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine zu ausführliche Anklageschrift betrifft, konnte sich die Öffentlichkeit an der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz davon überzeugen, dass die Anklagevorwürfe von allen Parteien verstanden und gezielt hinterfragt wurden. Entsprechend hat keine Partei ihren Rückweisungsantrag an das Obergericht mit der Ausführlichkeit der Anklage begründet.» Was die Staatsanwaltschaft nicht schreibt: Die Berufung ist ein Rechtsmittel, das der Berufungsinstanz volle Kognition gibt, d.h. das Gericht kann sämtliche Fragen frei und uneingeschränkt prüfen – und ist dabei nicht an die Anträge eines Parteienvertreters gebunden.

Auch der Französischsprechende Beschuldigte wusste, worum es geht

Zum zweiten Kritikpunkt, der fehlenden Übersetzung, entgegnet die Staatsanwaltschaft: «Sodann wurde der Übersetzungsanspruch des französischsprachigen Beschuldigten nicht verletzt, was auch die Vorinstanz nach eingehender Prüfung bestätigte. Der französischsprachige Beschuldigte bestätigte denn auch an der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich, die Anklageschrift vom 26. Oktober 2020 erhalten, verstanden und mit seiner Verteidigung besprochen zu haben.» Zu diesem Punkt hielt das Obergericht fest, allerdings ohne weitere Begründung, dass auch diese Aussage des Beschuldigten die fehlende Übersetzung nicht zu heilen möge.

Klagelegitimation?

Keine Antwort gibt die Mitteilung der Staatsanwaltschaft zur Frage der Klagelegitimation. Das Zürcher Obergericht verweist in der Rechtsmittelbelehrung seines Urteils auf Seite 38 auf die beschränkten Beschwerdemöglichkeiten bei Vor- und Zwischenentscheiden nach Art. 93 Abs. 1 BGG. Dort heisst es wörtlich:

Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:

a. wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b. wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.

Ob in dem vorliegenden Fall insbesondere die Beschwerde-Voraussetzung von lit. a erfüllt ist, dürfte zumindest hochgradig fraglich sein. Falls das Bundesgericht die Voraussetzung verneint, muss sich die Staatsanwaltschaft Zürich den Vorwurf gefallen lassen, aus reiner Trötzlerei schon wieder unnötige Kosten zulasten der Steuerzahler generiert zu haben.

 

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