Blatter-Prozess: Strafrichter des Bundes der Lüge bezichtigt

Die Bundesanwaltschaft und die Privatklägerin FIFA hatten die Einvernahme des ehemaligen FIFA-Finanzchefs Markus Kattner mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Das Gericht liess die Zeugenbefragung zu – jetzt sieht Bundesstrafrichter Olivier Thormann schlecht aus.

Zur Erinnerung: Letzte Woche hatte der frühere FIFA-Ermittler und heutige Bundesstrafrichter Olivier Thormann im Zeugenstand ausgesagt, der ehemalige FIFA-Finanzchef Markus Kattner habe die Bundesanwaltschaft auf die ominöse Zahlung von CHF 2 Mio. an die Adresse von Platini aufmerksam gemacht. Dieser Punkt ist deshalb von Belang, weil sich mäniglich fragt, warum die Bundesanwaltschaft, generell nicht für ihr hohes Ermittlungstempo bekannt, im September 2015 nur vier Monate nach einer Hausdurchsuchung bei der FIFA ein Strafverfahren gegen Sepp Blatter eröffnete.

Und das, obwohl der Fokus bei den ursprünglichen Ermittlungen ein ganz anderer war und die Beschlagnahmung im Nachgang zur Verhaftung einiger wichtiger FIFA-Funktionäre wegen Korruption erfolgte. Die beschuldigten Sepp Blatter und Michel Platini behaupten, die Bundesanwaltschaft hätte an einem Komplott gegen Platini mitgewirkt und jemand hätte die Bundesanwaltschaft wohl explizit auf die Millionen-Überweisung hingewiesen, sonst wären die Ermittler in den grossen Datenbergen kaum so rasch auf diese Überweisung gestossen.

Die anschliessende Eröffnung des Strafverfahrens war fatal für Platini, der – wie Blatter – von der Ethik-Kommission der FIFA gesperrt wurde und damit seine Ambitionen auf das Amt des FIFA-Präsidenten begraben konnt. Womit der Weg für Gianni Infantino frei wurde. Brisant dabei: Zwischen der Hausdurchsuchung bei der FIFA und der Eröffnung der Strafuntersuchung gegen Blatter kam es zum ersten von mehreren Geheimtreffen von Infantino-Intimus Rinaldo Arnold (von Beruf Oberstaatsanwalt im Kanton Wallis) mit dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber und dessen Mediensprecher André Marty. Der Inhalt dieser Besprechungen wurden nie protokolliert und kosteten am Ende Lauber das Amt. Es steht deshalb im Raum, dass Arnold im Auftrag von Infantino anlässlich dieses Geheimtreffens auf die Zahlung an Platini hingewiesen hatten.

Markus Kattner bestreitet

Der ehemalige FIFA-Finanzchef Kattner bestritt heute vor Gericht auf jeden Fall, dass er der Informant gewesen sei. Kattner sagte, er erinnere sich zwar an die Zahlung über die CHF 2 Mio., habe aber seiner Erinnerung zufolge die Bundesanwalt nicht explizit auf diese Zahlung hingewiesen. Er sei zudem überzeugt gewesen, dass die Zahlung rechtmässig gewesen sei.

Die Aussage Kattners befördert damit die Meinung derjenigen, die in dem gesamten Verfahren eine Intrige gegen die ehemaligen Funktionäre Blatter und Platini sehen. Wie das Gericht die Aussagen Kattners wertet, bleibt allerdings abzuwarten. Kattner gehörte früher zum engen FIFA-Führungszirkel mit Blatter als Präsident, Jêrome Valcke als Generalsekretär und Kattner selbst als Finanzchef. 2016 wurde er von Infantino nach dessen Wahl zum Präsidenten fristlos entlassen, die FIFA-Ethikkommission verhängte eine 10-jährige Sperre und eine Busse von CHF 1 Mio. gegen Kattner. Die Beschwerde dagegen vor dem Internationalen Sportschiedsgericht in Lausanne verlor Kattner ebenso wie die Anfechtung der fristlosen Kündigung vor dem Zürcher Arbeitsgericht, der Rechtsmittelweg ist aber noch nicht abgeschlossen. Kattner erklärte in Bellinzona, es seien noch mehrere Zivilverfahren gegen die FIFA hängig. Zu Blatter fühle er sich weiterhin freundschaftlich verbunden.

Verschiedene Medien weisen heute darauf hin, dass sich Kattner selbst belastet hätte, wenn er damals die Millionen-Zahlung der Bundesanwaltschaft als dubios gemeldet hätte: Als Finanzchef hätte er wohl intervenieren müssen, wenn er der Überzeugung gewesen wäre, sie erfolge nicht rechtmässig.

Strafanzeige gegen Bundesstraf-Richter Thormann

Die Verteidigung Platinis liess sich nach der brisanten Aussage von Kattner nicht zwei Mal bitten und reichte umgehend Strafanzeige gegen den Bundesstrafrichter ein. Einerseits wegen der Falschaussage, andererseits wegen des Verstosses gegen das Amtsgeheimnis, da Thormann nach seiner Aussage letzte Woche über eine Stunde mit Medienschaffenden gesprochen hatte. Zumindest der letzte Punkt dürfte indes vorläufig vor allem ein Anwaltsmanöver sein. Alleine in der Tatsache, dass Thormann mit Medienschaffenden spricht (und auch wenn er das über eine Stunde lang tut), kann selbstredend nicht auf eine Amtsgeheimnisverletzung geschlossen werden. Dafür wäre doch massgebend, was dabei genau besprochen wurde.

Fazit des Prozesstages: Ein Bundesstrafrichter steht unter dem Vorwurf, als Zeuge gelogen zu haben, die ganze Ermittlungsbehörde nach wie vor unter dem Generalverdacht, sich in dem vorliegenden Falle für eine Intrige hergegeben zu haben. Kein Ruhmesblatt, weder für die Bundesanwaltschaft noch für das Parlament, das den hochgradig belasteten Thormann in voller Kenntnis dessen heikler Rolle in dem FIFA-Komplex auch noch als Richter ins Bundesstrafgericht gewählt hatte.

Weitere Zeugenvernehmungen abgelehnt

Platinis Verteidiger Dominic Nellen beantragte nach der Aussage Kattners, weitere Zeugen vorzuladen. Insbesondere wollte er Gianni Infantino und den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber in den Zeugenstand rufen. Eine nicht unproblematische Stategie, die für Nellen respektive Platini nur dann aufgehen würde, wenn sich mit deren Befragungen die Komplott-These weiter verdichten liesse. Und das wäre nur dann der Fall, wenn sie sich beispielsweise in Widersprüche verstricken würden. Bislang hatten beide die These,  das Strafverfahren gegen Blatter sei eine Intrige und auf das Bestreben Infantinos hin erst eröffnet worden, zurückgewiesen.

Würden beide bei einer Befragung glaubwürdig daran festhalten, würde das Nellens These der Intrige unwahrscheinlicher erscheinen lassen. Der Verteidiger Platinis muss sich also sehr sicher gewesen sein, dass es gelingen würde, mit einer Befragung von Infantino und Lauber die Wahrscheinlichkeit der Intrige weiter zu verdichten. Oder aber er sah voraus, was das Bundesstrafgericht schliesslich entschied: Die beiden werden nicht vorgeladen. Und das eröffnet Nellen immerhin eine gute Möglichkeit für eine Beschwerde ans Bundesgericht, sollte sein Mandant am Ende nicht freigesprochen werden.

 

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