Blatter und Platini auf der Anklagebank des Schweizer Bundesstrafgerichts: Erster Tag

Der Prozess gegen Ex-FIFA-Chef Blatter und Ex-UEFA-Präsident Platini hat in Bellinzona begonnen. Den beiden ehemaligen Fussballfunktionären drohen wegen einer fragwürdigen Zahlung Haftstrafen Es geht dabei um zwei Millionen Schweizer Franken. Ein dreiköpfiges Gericht unter der Vorsitzenden Joséphine Contu führt die Hauptverhandlung gegen die beiden ehemaligen Fussballfunktionäre. Die Fifa tritt dabei am Prozess als Privatklägerin auf. Die Verhandlung ist auf drei Wochen angesetzt, das Urteil soll am 8. Juli eröffnet werden. Ein epischer Kampf geht in die letzte Runde.

Verhandelt wird in Bellinzona eine alte Geschichte. Sie datiert aus dem Jahr 2011, geht aber eigentlich zurück bis ins Jahr 1998. Die Bundesanwaltschaft ermittelt sein knapp sieben Jahren und wird nun endlich gerichtlich beurteilt. Laut der Anklageschrift hat die FIFA 2011 – abgesegnet vom damaligen FIFA-Boss Sepp Blatter (86) – zwei Millionen Franken an Michel Platini (65) überwiesen. Nach Ansicht der Kläger aufgrund einer „fiktiven“ Forderung Platinis. Der hatte die Millionensumme der FIFA für Beratertätigkeiten in den Jahren 1998 bis 2002 in Rechnung gestellt. Es geht dabei um den Verdacht der unrechtmässigen Bereicherung. Betrug und Urkundenfälschung sowie um Veruntreuung und „ungetreue Geschäftsbesorgung“. Bei Platini kommt noch Beihilfe dazu. Sollten Blatter und Platini schuldig gesprochen werden, drohen ihnen bis zu fünf Jahren Haft.

Ergebnis eines Komplotts

Im Prozess gegen den ehemaligen UEFA-Präsidenten sieht die Verteidigung von Michel Platini das «Ergebnis eines Komplotts». Man könne «detailliert darlegen, dass das Verfahren gegen Herrn Platini politisch motiviert war. Mit dem Ziel, ihn daran zu hindern, FIFA-Präsident zu werden», sagte Platinis Anwalt Nellen der Deutschen Presse-Agentur. «Wir sind zuversichtlich, dass das Verfahren zu einem positiven Ergebnis führen wird. Und die völlige Aufrichtigkeit von Herrn Michel Platini in dieser Sache belegen wird. Als die Schweizer Behörden vor sieben Jahren das Verfahren eröffneten, sei das wahre Ziel gewesen, Platinis Wahl zum FIFA-Chef und Blatter-Nachfolger zu verhindern – was wiederum die Wahl von Gianni Infantino, dem aktuellen FIFA-Chef, ermöglichte. Vor allem Platini zeigt sich heute überzeugt, dass Gianni Infantino hinter allem steckte. Infantino dementiert das hartnäckige Gerücht, dass er es gewesen sei, der die Bundesanwaltschaft auf die 2-Millionen-Zahlung aufmerksam gemacht habe. Weil Blatter und Platini wegen interner und externer Ermittlungen schnell aus dem Spiel sind, wird Infantino vom unscheinbaren UEFA-Generalsekretär zum neuen Fifa-Boss. Sepp Blatter hat die Vorwürfe gegenüber seinen Handlungen stets zurückgewiesen und erklärte, er blicke der Verhandlung «mit Optimismus» entgegen: «Ich hoffe, dass damit diese Geschichte ein Ende findet und alle Fakten sauber aufgearbeitet werden», liess er zuletzt mitteilen.

Die FIFA-Ethikkommission hatte Blatter und Platini 2015 für jeweils acht Jahre gesperrt. Diese Sanktionen wurden zwar später reduziert. Trotzdem bedeutete der Bann das Ende der Ambitionen Platinis auf die Nachfolge von Blatter als Weltverbands-Chef. Das unwürdige Ende zweier grosser Funktionärs-Karrieren. Die Betrugsvorwürfe haben Blatter und Platini immer abgestritten und immer ihre Unschuld beteuert. Die verspätete Honorarzahlung für Platini sei laut Blatter rechtmässig und beruhe auf einem „mündlichen Vertrag“ und später einem schriftlichen Vertrag, der laut Blatter, „von allen FIFA-Gremien abgesegnet wurde“. Die Zahlung sei durch die ganze Maschinerie der Fifa gegangen und vom Kongress 2011 akzeptiert worden, sagte er. Auf dem UBS-Konto von Platini (auf dem sonst keine «verdächtigen» Zahlungen gefunden wurden) beschlagnahmte die Justiz insgesamt 2,229 Millionen. Im Mai 2021 wurde „die Verwertung“ angeordnet, das Geld auf das PostFinance-Konto der Eidgenössischen Finanzverwaltung überwiesen. Die Fifa, Privatklägerin im Verfahren, will 2,229 Millionen plus Zinsen zurück.

Pünktliches Sperrfeuer

Pünktlich um 9 Uhr eröffnete Richterin Contu am Mittwoch die Verhandlung. In der ersten Reihe Sepp Blatter, neben ihm sitzt sein Anwalt Lorenz Erni. Erni darf nach dem spektakulären Pierin Vincenz-Prozess erneut einen publikumsträchtigen Fall begleiten. Wie immer stoisch und fokussiert. Erni hat, pikant, weiterhin ein Mandat des früheren Bundesanwalts Michael Lauber, der in diesem Verfahren auch noch eine Rolle spielen wird. Schräg hinter Blatter, mit verschränkten Armen Michel Platini, neben sich der Genfer Anwalt Vincent Solari und der Berner Dominic Nellen. Die FIFA, Privatklägerin, hat eine hochkarätige Crew mit der Genfer Anwältin Catherine Hohl-Chirazi («specialized in criminal law and white collar crime») und den Zürcher Gianni Rizzello (Klein Rechtsanwälte) nach Bellinzona gesendet.

Auch in Bellinzona, wie schon in Zürich beim Vincenz-Prozess, feuerte Lorenz Erni am ersten Tag aus allen Rohren. So stellte er gleich zu Beginn des Verfahrens den Antrag, die Fifa vom Verfahren auszuschliessen. Es habe keinen statutenkonformen Beschluss der Fifa-Gremien gegeben, den Verband als Privatkläger zu konstituieren, so Erni. «Für mich ist klar, die Fifa ist als Privatklägerin nicht zuzulassen, deren Vertretung ist heute zu entlassen», sagt Erni. Die Anwältin der FIFA, Catherine Hohl-Chirazi, plädierte auf Rückweisung des Antrags. Es sei klar, dass die Fifa als geschädigte Partei einen Anspruch auf Privatklägerschaft habe und dafür legitimiert sei.

Weiteres Sperrfeuer gab es auch vom Anwalt von Platini. Dominic Nellen bestritt sogar, dass das Gericht in Bellinzona zuständig ist, das Verfahren zu führen. «Sind wir hier überhaupt im richtigen Stadion?», fragte Nellen fast schnippisch. Zuständig wäre nämlich laut Nellen für solche Sachverhalte – es gehe ja um Betrug oder ungetreue Geschäftsbesorgung – ein kantonales Gericht, und damit wohl Zürich. «Es gibt keine Bundeszuständigkeit», erklärte der Berner Anwalt. Zudem verlangte er, die Untersuchungen gegen den Ex-Bundesanwalt Michael Lauber beizuziehen, in denen es um Treffen mit Gianni Infantino geht. Die Bundesanwaltschaft und FIFA-Vertreterin erklärten, diese Untersuchungen hätten nichts mit dem Anklagesachverhalt der Zwei-Millionen-Zahlung zu tun.

«Wäre dies hier eine Anwaltsprüfung, wären Sie durchgefallen»

Nellen wirft auch die Frage auf, ob das Verfahren überhaupt rechtlich korrekt in Gang kam. Er thematisiert die Rolle des damaligen Staatsanwalts Olivier Thormann, die unter anderem in der Disziplinarverfügung der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft AB-BA gegen Bundesanwalt Lauber thematisiert wurde. Dort ist, neben den unerklärten Geheimtreffen, unter anderem auch die Frage aufgeworfen worden, ob die Siegelung der von der Bundesanwaltschaft bei der Fifa beschlagnahmten Akten rechtmässig war. Lorenz Erni war den Kollegen der Bundesanwaltschaft BA und der FIFA zudem vor, nicht über rechtliches Basiswissen zu verfügen. «Wäre dies hier eine Anwaltsprüfung, wären Sie durchgefallen», sagte Erni.

Das Sperrfeuer der Anwälte konnte das Gericht aber nicht beeindrucken. Am Nachmittag wie das Gericht alle Anträge ab, insbesondere den Antrag auf Ausschluss der FIFA als Privatklägerin und die Sistierung des Verfahrens. Die Begründungen der Verteidigung hielten, so das Gericht, einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Am Donnerstag wird der Prozess mit der Einvernahme Blatters fortgesetzt und damit wird es dann zu den konkreten Anklagevorwürfen kommen. Der 86-jährige Blatter erklärte am Ende des ersten Verhandlungstages, es gehe ihm nicht gut. Er habe Mühe mit dem Atmen.

Der ewige FIFA-Experte Tognoni

Immer, wenn es um die FIFA geht, stellt sich der ehemalige FIFA-Angestellter Guido Tognoni gern den Medien als Insider zur Verfügung und teilt gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber aus. Guido Tognoni gibt sich dabei einmal mehr als „gutes Gewissen des Fussballs“ aus. Wenn es darum geht, die Fifa zu kritisieren und aus ihrem Innenleben zu erzählen, dann ist er der gefragteste Mann – in der Schweiz, in Deutschland, weltweit. Denn das Profil von Tognoni ist für Medien perfekt: ehemaliger Angestellter der FIFA und UEFA, Schweizer und dazu noch ehemaliger Journalist und Jurist. Er wird dabei von den Medien gerne als ehemaliger FIFA-Mediendirektor betitelt und umhergereicht. Ein Titel den er aber bei der FIFA nie führte. In seinen 13 FIFA-Jahren, (1985 bis 1995 und 2001 bis 2003) amtet er in der Marketingabteilung und dann als „Head of Competitions“. Dieses Engagement endete unfreiwillig 2003. Seitdem liefert der heute 72jährige Bündner allen möglichen Medien sogenannte Einblicke in die FIFA.

Was gemäss wirklichen Insidern in der FIFA regelmässig zu grosser Belustigung führt. Ein Mitarbeiter der FIFA erklärte: „Tognoni führt sich seit seinem Rausschmiss wie eine betrogene Ehefrau auf. Er nutzt jedes Mikrophon und jede Kamera und diskreditiert seinen ehemaligen Arbeitgeber FIFA. Und die Medien nutzen, mangels Alternativen, seine Expertise. Fakt ist aber, seit knapp 20 Jahren weiss er nicht mehr, was in der FIFA wirklich passiert.“ Nach seinem zweiten Rauschmiss bei der Firma arbeitete Tognoni von 2004 bis 2007 in Katar für den umstrittenen, heute gesperrten, Fussballfunktionären Mohammed bin Hammam, einem Gegenspieler von Blatter. Natürlich steht auch beim Prozess in Bellinzona Tognoni den Medien zur Verfügung. Und natürlich glaubt Tognoni den Unschuldsbeteuerungen des Ex-FIFA-Chefs kein Wort und erklärt dies in einem Interview in der Tagesschau der ARD. „Blatter hat sich Zeit seines Lebens immer als Opfer der Verhältnisse gefühlt. Aber das ist natürlich nicht wahr: Blatter hat alle seine früheren Förderer missbraucht. Er hat Platini in die Irre geleitet, er hat Platini die Nachfolge versprochen und ihn dann aber abserviert.“ Blatter sei ein „Menschenfänger gewesen, „dem es nie etwas ausgemacht hat, seine politischen Förderer einfach fallen zu lassen“. Für den Gerichtsprozess, der heute Mittwoch in Bellinzona begann, ist die Einschätzung des Ex-FIFA-Manns Tognoni aber irrelevant.

 

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