Bundesrichter möchte Volksinitiative für ungültig erklären lassen

Die „Initiative für eine Zukunft“ der Juso will die Herausforderungen der Klimakrise mit einer Nachlasssteuer von 50 Prozent für Vermögen über 50 Millionen angehen, um benötigtes Kapital zu erhalten. Dies bringt Superreiche ins Schwitzen. Ulrich Meyer kommt nun in einem Gutachten zum Schluss, dass das Parlament einen Teil davon für ungültig erklären soll, so der Bericht in der Sonntagszeitung.

Die reichsten in der Schweiz sehen sich, vor allem ihr Vermögen, bedroht. Nachdem Peter Spuhler bereits im Mai diesen Jahres angedroht hatte, im Falle einer Annahme der „Initiative für eine Zukunft“ der Juso auszuwandern, ist die Diskussion über die Initiative in vollem Gange. Sie sieht vor, dass im Falle einer Annahme Vermögen über 50 Millionen Franken im Erb- oder Schenkungsfall eine Steuer von 50 Prozent anfällt. Zudem verlangt sie Massnahmen, die sicherstellen, dass die Betroffenen nicht ins Ausland flüchten können, um der Steuer zu entgehen. Als Antwort darauf scheint die grosse Suche der Superreichen zur Verhinderung dieser Initiative losgegangen zu sein.

Ulrich Meyer, ehemaliger Bundesrichter, Präsident des Bundesgerichts und SP-Mitglied, hat nun ein Gutachten dazu verfasst, wie die Sonntagszeitung schreibt, indem er fordert Teile der Initiative für ungültig erklären zu lassen. Das Gutachten hat er im Auftrag des Verbandes der Maschinenindustrie Swissmem verfasst. Im Verband sind unter anderem die Franke-Gruppe von Michael Pieper sowie die Stadler Rail von Peter Spuhler Mitglied. Sie beide gehören laut Forbes-Liste 2023 zu den 15 reichsten Personen in der Schweiz.

Undemokratisch wegen einer Verfassungslücke

Die Sonntagszeitung hält fest, dass bis jetzt alle Rechtsexperten zum Schluss gekommen sind, dass die Initiative verfassungsmässig und deshalb gültig ist. Meyer bestreitet dies in seinem Gutachten nicht. Vielmehr argumentiert er, dass die Initiative nicht mit rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien vereinbar sei. Konkret meint er damit eine allfällige Wegzugsteuer, die viele im Moment als einzige Option sehen, um den Punkt „Massnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Betroffenen nicht ins Ausland flüchten können, um der Steuer zu entgehen“ lösbar umzusetzen.

Meyer argumentiert, dass die drohende Wegzugsteuer eine Vorwirkung habe, da Superreiche deswegen schon im Vorzug der Abstimmung ins Ausland ziehen würden, um der hohen Steuer zu entkommen. Er betont, dass eine Initiative, die noch nicht vom Volk angenommen worden sei, nicht die gleiche Wirkung haben dürfe wie eine bereits vom Volk verabschiedete Verfassungsänderung.

Vorschlag zur Verfassungsänderung

Die Vorwirkung einer Initiative ist aber weder in der Verfassung noch im Gesetz geregelt. Darin sieht Meyer eine Verfassungslücke, die nach den Regeln der Rechtsprechung geschlossen werden müsse. Heisst für ihn: Das Parlament muss die umstrittenen Teile der Initiative für ungültig erklären.

Die Sonntagszeitung führt aus, dass die meisten linken Politiker:innen diesen Vorschlag ablehnen, die Bürgerlichen wohl weniger. Es sei unklar, wie viele Parlamentarier:innen bereit sind, Teile für ungültig zu erklären, da man sich gewiss dem Vorwurf aussetzen müsste, Volksrechte zu beschneiden. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann wie auch Mitte-Ständeräte Erich Ettlin und Benjamin Würth hätten damit kein Problem. Sie alle sehen nach Anfrage der Sonntagszeitung im Gutachten eine „tragfähige Begründung“ zum Streichen der umstrittenen Teile.

Druck im Hintergrund

Die Sonntagszeitung führt weiter aus, dass die Wirtschaftsverbände, angeführt von Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher, bereits jetzt heisslaufen und im Hintergrund grossen Druck auf Bundesrätin Karin Keller-Suter machen. Wie demokratisch der Lobbyisten-Druck ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Bereits letzte Woche beschwichtigte der Bundesrat, dass er im Falle einer Annahme der Initiative eine Wegzugsteuer ablehne. Die Sonntagszeitung schreibt, dass es aus Wirtschaftskreisen nicht danach klingt, dass das Signal des Bundesrats reicht. Man sucht eine doppelte Absicherung ­– was so viel heisst wie: Ungültigkeit einer Volksabstimmung.

Die Juso reagierte prompt auf das Gutachten: So sagte die Präsidentin Mirjam Hostetmann: „Ich finde es verwerflich, dass Swissmem ein Gutachten kauft, um die Stimmbevölkerung zu beeinflussen“. Die Argumentation sei „abenteuerlich und das Gutachten schlecht.“ Wenn die besagte Vorwirkung als mögliches Kriterium für eine Teilungültigkeit anerkannt werde, werde man Initiativen im Vorfeld nicht mehr öffentlich diskutieren können, so die Juso-Präsidentin. Es sei lediglich auf „die Interessen der Superreichen ausgerichtet und nicht auf das der breiten Bevölkerung.“

Erbschaftssteuer vor 9 Jahren war in diesem Punkt drastischer

Die NZZ fragte bereits Mitte Juli: „Juso-Initiative: Sie ist radikal, doch ist sie deswegen auch ungültig?“. Darin erörtert die Autorin Katharina Fontana, dass eine Ungültigkeitserklärung aufgrund der Verknüpfung zweier Dinge – Erbsteuer und die sozial gerechte Bekämpfung des Klimawandels – kaum in Frage komme, da solche Vorlagen schon mehrfach für gültig erklärt wurden.

Also sieht man auf bürgerlicher Seite die Chance die Initiative wegen der Übergangsbestimmung für teilungültig erklären lassen zu wollen, da mit dem Tag der allfälligen Annahme schon die Steuer in Kraft träte und erst hinterher durch ein Referendum gekippt werden könnte.

Jedoch, so die NZZ, sah die „Initiative für eine Erbschaftssteuer“ von der SP, die 2015 an der Urne scheiterte, eine viel drastischere Rückwirkung vor. Sie wollte nämlich Schenkungen dem Nachlass anrechnen, die mehrere Jahre vor der Abstimmung getätigt worden waren. Der Ärger über diese Rückwirkungsklausel war in den Bundeshaus-Räten schon damals gross, doch wurde auch diese Initiative für gültig erklärt, ganz nach dem Motto: im Zweifelsfall zugunsten der Volksrechte.

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